Stolpern und sterben statt springen und rennen: Momodora III
Insgeheim bin ich Grobmotorikerin. Ungeduld und Ungeschick verschmelzen in mir zu einer trägen Masse, die sich allerdings, wenn sie erst an Fahrt gewinnt, oft verselbstständigt und lawinenartig alles niederwalzt, was sich ihr in den Weg stellt. Es sei denn, die Hindernisse setzen zur Gegenwehr an. Doch genau das das tun sie in Momodora III unermüdlich.
Das Jump’n’run ist gespickt mit Schluchten, Fallen und Gegnern, der Spielprozess eine ständige Abfolge grausamer Tode und neuer Versuche. Anfänglich in jeden dritten Abgrund stürzend, von den Kontrahenten vorgeführt, immer und immer wieder an den gleichen Fehlern scheiternd, fühle ich mich, als hingen an meinen Armen nicht einmal mehr zwei zwei linke Hände, sondern rechte Füße. Und sehe mir peinlich berührt Videos von Menschen an, die in ihren maximal zehn Minuten dauernden Speedruns regelrecht durch die lediglich sechs Levelsegmente schweben und mir vorzuhalten scheinen, wie simpel das Ganze an sich ist.
In der Rolle Momos oder Isadoras, ihres Zeichens Priesterinnen eines kleinen Volksstammes, gilt es, den Tod höchstselbst zu besiegen. Und ihm auf dem Weg immer wieder zu erliegen. Dabei erfordert die mit der simplen Geschichte verknüpfte Spielmechanik im Prinzip nicht mehr, als auf einem klar gezeichneten Weg Hürden und Gegner zu überwinden, sei es mit gut abgestimmten Sprüngen, einer aufladbaren Projektilwaffe oder einem klingenscharfen Ahornblatt.
Den beiden Charakteren sind dabei unterschiedliche Schwierigkeitsgrade zugeordnet: Während Dora gleich zu Beginn mit zusätzlicher Energie und einem Gegenstand ausgerüstet ist, der den im Kampf erlittenen Schaden mindert, muss Momo ohne diese beiden hilfreichen Extras auskommen. Allerdings bleibt es nicht bei dieser einmaligen Einstufung, denn vor allem durch den Erwerb hilfreicher Gegenstände oder Verzicht auf selbige, kann diese im Spielverlauf selbst weiter angepasst werden. Überhaupt räumt Momodora III trotz seiner vermeintlichen Linearität relativ viel Handlungsspielraum ein, belohnt ein sorgfältiges Erkunden der Level und potenziellen Geheimgänge ebenso wie Speedruns, und lädt daher zu mehreren Durchläufen ein.
Diese wiederum gelingen mit der Zeit immer besser, denn der zunächst immense Frust wird angemessen kompensiert durch einen spürbaren Lerneffekt, die Historie des Versagens schließlich zu einer des Erfolgs. Werden die Bewegungschemata der einzelnen Gegner erst durchschaut und verinnerlicht, stellen sie keine besondere Herausforderung mehr dar, nur dauert es meist eine ganze Weile, bis dieser Punkt erreicht ist. In diesem Sinne immer wieder mit Dark Souls verglichen, zollt Momodora III aber vor allem Spielen wie Cave Story Tribut, ist einer Serie entwachsen, die der brasilianische Entwickler rdein ursprünglich selbst unumwunden als Plagiat bezeichnete.
Obwohl diese Wurzeln hier und da noch erkennbar sind, ist ihnen mittlerweile ein eigenständiges Konzept entsprungen, dessen dritter Ableger seine Vorgänger in nahezu jeder Hinsicht qualitativ übertrifft: Das Leveldesign ist abwechslungsreich und in sich stimmig, ebenso der Soundtrack von Elektrobear, der in Kombination mit der detailverliebten Grafik eine dichte Atmosphäre schafft. Zudem werden nun in Ergänzung zur fingerverknotenden Tastatursteuerung der ersten beiden Teile auch Gamepads unterstützt, durch deren Nutzung die Navigation erheblich einfacher und intuitiver vonstatten geht. Die größte Stärke des Spiels ist und bleibt jedoch das tröstende Gefühl, binnen weniger Stunden von der ungeschickt umherstolpernden Versagerin zum elegant über das Terrain gleitenden Artistin zu avancieren. Die falsch platzierten Klumpfüße wieder abmontieren und durch zwei mit einem Mindestmaß an motorischem Geschick ausgestattete Hände ersetzen zu können.