GameLoading: Rise of the Indies – Die Labskaus-Dokumentation

Labskaus ist ein eher kontrovers aufgenommenes Gericht nordischer Kochkunst. Jede Menge leckerer Zutaten werden zu einem Brei gepanscht, der am Ende die Geschmacksnerven vielleicht doch ein wenig überstrapaziert. Die Indiegame-Dokumentation GameLoading: Rise of the Indies fühlt sich genauso an, wie der Moment, in dem gleichzeitig Rollmops, Rote Bete, Spiegelei und Schweineschmalz den Gaumen kitzeln. Als guter Gast habe ich brav geschluckt, was wie tausendmal durchgekaut und ausgespuckt aussah. Aber irgendwann muss halt alles wieder raus.

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“Every single person has a game in them.” (Zoe Quinn)

Bereits die ellenlange Liste der vorkommenden Personen kann als Warnung vor einem von Überambition gebeutelten Projekt verstanden werden. Davey Wreden, Zoe Quinn und Rami Ismail stehen hier zusammen mit Doom-Legende John Romero und Polygons Ben Kuchera in einer Supermarktschlange am Tag vor Heiligabend, an der gerade Chelsea Howe, die Kreativdirektorin von EA Mobile, abkassiert. Alle dürfen kurz sagen, wie aufregend und toll das Erschaffen von Spielen ist und wie es sie erfüllt und dass das doch jeder selber könne. Die typischen inspirierenden Phrasen also, die in Filmen übers Spielemachen immer fallen müssen, damit man sich beim Zuschauen dazu animiert fühlt, Teil dieser geilen, eingeschworenen Community zu werden.

Dass man jedoch nicht unbedingt einem Beinamputierten erzählen sollte, er könne der nächste Christiano Ronaldo werden, wird wohl erst begreiflich, wenn man ein DJ-Set von Oliver Pocher oder die Rapkünste eines Löwenbabys um die Ohren gehauen bekommt. Und dass die Gaming-Community auch nicht immer so geil ist, wie es einem der Film mit Bildern von gemeinsamen Spieleabenden, einem Gamejam im fahrenden Zug und zahlreichen Messeautritten suggeriert, erzählt GameLoading leider nur am Rande. Zoe Quinn, bekannt aus „Ich weiß, mit wem du es letzten Sommer getan hast“, darf hier mit tränenverquollenen Augen in 2-3 Sätzen über ihren Kampf gegen die Belästigungs-Windmühlen berichten, bevor das Bild wieder auf die lustigen Menschen im Zug schwenkt. Als säße da ein Sozialphobiker am Schnittrechner, der mit Emotionen nicht klar kommt und lieber schnell das Thema wechselt, wenn sich ihm jemand zu offenbaren droht.

Wreden

“I want the games that I make to feel like they could have only come from me.” (Davey Wreden)

Ähnlich verhält es sich mit dem Auftritt Ryan Greens, der in That Dragon, Cancer spielerisch die aufzehrende Zeit mit seinem krebskranken Sohn verarbeitet. Einer der emotionalsten Momente des Films und seine vielleicht interessanteste Geschichte, umrahmt von Szenen, in denen ein anderer Entwickler einen Platz für seinen Laptop auf einer Messe sucht und die beiden Vlambeer-Köpfe erzählen, was für unterschiedliche Typen sie doch sind. Gegen Ende darf Green dann noch mal erwähnen, wie geil die Community ist, weil ihm das sichtbar leichter von der Zunge geht, als von seinem sterbenden Kind zu berichten.

Da wirken die Worte von Cart-Life-Entwickler Richard Hofmeier wie blanke Ironie, wenn er sich in einer Dokumentation, die einen ernsten Gedankengang nicht länger als ein paar Sekunden verfolgen kann, darüber beklagt, dass Spiele zu häufig auf den Spaßaspekt reduziert werden. GameLoading ist nicht mehr als eine Ansammlung von dutzenden Klappentexten, in denen die Geschichten immer nur angerissen, aber niemals ausformuliert werden. Ein Film, der lieber die bunten Frisuren statt die bunten Persönlichkeiten der portraitierten Entwicklerinnen und Entwickler zeigt. Es geht wieder vielmehr darum, die Daseinsberechtigung des Mediums allgemein zu erklären.

Dass die Dokumentation folglich auch mit Einblicken in den erfolgreichen Verkaufsstart von The Stanley Parable und der obligatorischen Award-Show schließt, ist symptomatisch für ein Projekt, das besser vier oder fünf verschiedene Projekte gewesen wäre. Ein Film ohne Fokus und ohne Sinn für die Aspekte, die wirklich erzählenswert gewesen wären. Ein Film, der für jeden etwas bereithält, aber von allem so wenig, dass am Ende niemand satt wird. Selbst dann nicht, wenn man alles schluckt, was einem vorgesetzt wird.