Interview: Marius "Majus" Fietzek

Majus

Links, rechts, geradeaus.” – Die Stimme des Navigatorschädels aus einem allseits bekannten Monkey-Island-Flashfilm hallt noch heute häufig durch meinen Kopf. Die wenigsten wissen, dass sie eigentlich Marius “Majus” Fietzek gehört, dem jungen Mann, der jüngst durch die beste Job-Bewerbung aller Zeiten auf sich aufmerksam machte.

Durch immenses Stalking konnte ich ermitteln dass Majus 26 Jahre alt ist, aus Aschaffenburg kommt und gerade Animation und Interaktive Medien an der Filmakademie in Ludwigsburg studiert. Nebenbei arbeitet er gerade für Telltale Games an Cutscenes für das sehnsüchtig erwartete The Walking Dead.

Doch reichte mir das nicht. Fragen über Fragen, die ich ihm stellen musste. Wer ist der Kerl mit den grandiosen Flashfilmen, der wundervollen Pixelart und der flauschigen Mütze wirklich? Wie wird ein ganz normaler Mensch zur Adventure-besessenen Zeichentrickmaschine?


„Hallo Majus! Du bist Spielen offensichtlich nicht abgeneigt. Wann und wie hat das Geschehen rund um Computer, Spiele und vor allem Adventures für dich angefangen?“

GuybrushDas fing alles mit dem AtariST von meinem Vater an, der zu der Zeit viele Adventure-Games gespielt hat. Maniac Mansion, Zak McKracken, King’s- und Space Quest und so weiter. Da habe ich ihm immer über die Schultern geschaut und mitgefiebert. An einem glorreichen Weihnachtsabend hat er mir dann mein erstes Computerspiel geschenkt, The Secret of Monkey Island! Wir haben es zusammen gespielt, zu einer Zeit, in der ich noch gar nicht lesen konnte. Aber allein die gigantische Welt, die Bild- und Animations-Vielfalt und die geschickt gestalteten “emotionalen Trigger” haben es mir angetan.

Das war so ziemlich der Auslöser für meine Lust auf Spiele, die starke emotionale Einflüsse auf den Spieler haben. Ich wurde süchtig nach dem Gefühl, in Gefahr zu sein, Angst zu spüren, sich kaputtzulachen und richtig in ein Spiel eintauchen zu können.

Monkey Island 2 hat den Drang mehrmals um einiges vervielfacht. Ich trage immer noch emotionale Narben von dem klaustrophobischen Endkampf gegen den Zombie-Piraten LeChuck… und finde es großartig!

„Ein Wahnsinns-Ende! Die Monkey-Island-Reihe ist, was Immersion angeht, durch ihre fantastische Welt natürlich ganz weit oben. Können dich deutsche Adventures ebenso begeistern?“

Leider kenne ich sehr wenige deutsche Adventure-Games, ich verfolge aber Daedalics Arbeiten und bin angetan von ihrem bunten Spielekatalog.

Andere Games aus dem Lande haben mein Interesse noch nicht geweckt. Oft sprechen mich die Geschichten nicht an, aber größtenteils fürchte ich, dass man sich zu sehr in die alte, nostalgische Spielmechanik verbissen hat und dass eher zitiert anstatt experimentiert wird. Aber ich bin da auch nicht mehr up-to-date, deshalb halte ich jetzt besser den Mund.

„Daedalic also! Dann mal ganz anders gefragt: Wenn Ron Gilbert der Bob Dylan der Adventure-Spiele ist, dann sind Daedalic …?“

Edna bricht ausRon Gilbert der Bob Dyan des Adventure-Genres? Ein gewagter Vergleich. Ich frage mich, ob Ron damals für Total Annihilation als Judas geschimpft wurde, hmmm… aber zurück zu deiner Frage!

Knifflig! Ich kenne mich leider kaum in der deutschen Musikbranche aus. Welche junge Band schafft es denn, die alte Folk-Musik aufzugreifen und gleichzeitig die heutige Generation damit zu begeistern? Da muss ich passen… Aha! Da fällt mir ein, Element of Crime haben für den Soundtrack von “Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe” einen sehr guten, deutschen Bob Dylan hingelegt.

… Was besseres fällt mir da leider nicht ein. Dom, hast du eine eigene Antwort auf diese Frage?

The Applicant

„Scooter. Ganz sicher Scooter. Wie auch immer: In deiner grandiosen Bewerbung bei Double Fine greifst du ja offensichtlich auf die angesprochene Oldschool-Ästhetik zurück, spielst in deinem Cartoon Rick Rocket aber auch auf den unausweichlichen Übergang zur HD-Grafik an. Bereitet dir eines von beiden, als Kreativer und als Spieler, mehr Freude?“

Pixel-Art bereitet mir persönlich sehr viel Freude, weil es eine reduzierte, “grobe” Kunstform ist, der trotzdem keine Grenzen gesetzt sind. Die Auflösung ist klein, dennoch kann man in 10×10 Pixeln unzähliges darstellen. Außerdem liebe ich das “Handwerk”, denn hier ist jeder einzelne Punkt mit Bedacht gesetzt. In jedem Bild steckt viel Arbeit und Konzentration, und automatisch eine Handschrift und Seele.

Was ich bei Rick Rocket aber kritisiere, ist nicht die HD-Technologie selbst, sondern die oft entstehende Ansicht “je mehr, desto besser”.

Google und spiel mal ImmorTall. Ein sehr kurzes Flashgame, das bis auf das Nötigste in Grafik / Sound / Steuerung / Spielzeit reduziert ist, aber eine unglaublich starke emotionale Verbindung zwischen Spieler und Spielfigur herstellt. Ich finde, das Ding ist viel, viel wertvoller als der teuerste, “bahnbrechende” Kriegsshooter. Los, ausprobieren, jetzt!

“Du hast selbstverständlich Recht! Vor allem Kriegsshooter sind häufig nur noch alljährliche Aufgüsse alten Materials. Wie sieht im Umkehrschluss denn beispielsweise das Adventure deiner Träume aus? Welches Setting, welche Charaktere und welche Besetzung bräuchte es, um dich so richtig zu begeistern? (Und wäre es etwas anderes als das “wahre” dritte Monkey Island?)”

Es kann jedes Setting und jede Besetzung sein, viel wichtiger ist mir, auf was die Entwickler Wert legen. Ich finde es wichtig, dass der Wille, was gutes, etwas innovatives, und einfach Kunst zu machen, immer im Vordergrund steht. Und nicht das Reich-werden. Bei neuen Adventure-Games (eigentlich bei Spielen im Allgemeinen) wünsche ich mir wirklich am meisten diese Haltung. Wenn jeder im Studio eine Arbeitsatmosphäre hat, in der er seiner Kreativität freien Lauf lassen kann, dann entstehen daraus die fettesten Sachen.

Für das wahre dritte Monkey Island müsste man dafür erst einmal sorgen. Und einen Weg finden, den Druck der Fans (der mittlerweile immens ist) abzuschotten. Ich finde es gut, Dinge für die Fans zu tun, das aber in einer vernünftigen Distanz. Monkey 1 und 2 ist mit wenig bis gar keinem Fan-Input entstanden. Es geht auch ohne.

Wie letztendlich die Fangemeinde auf das fertige Ding reagiert, ist dann eine andere Geschichte, und heutzutage ist es nicht die rosigste Zeit. Ich kenne das Ende von Mass Effect 3 noch nicht, aber die hohen Forderungen der Fans sind in meinen Augen furchtbar. Wenn der Künstler das Werkzeug ablegt und einen Zuschauer Hand anlegen lässt, dann verliert ein Werk seine Identität und seinen Wert. Ist doch dämlich.

“A propos “Fan-Input”: Wie sehr distanzierst du dich selbst von dem, was an Feedback auf deine Arbeiten zurückkommt?”

Ich habe coole Fans, deren Feedback ist auch größtenteils positiv. Ich bin um jeden Kommentar dankbar, da er mich motiviert und antreibt, weiter zu machen. Im echten Leben da draußen passiert es machmal, sogar heute noch, dass mich Leute auf den Monkey Island Flashfilm ansprechen. Mit dem plötzlichen Lob komme ich meist nicht klar und grinse geschmeichelt wie ein Idiot. Dann behaupte ich, mein Handy würde klingeln, und renne weg.

Ich distanziere mich demnach gar nicht von Feedback, und lese auch alles. Ob ich aber Änderungswünsche und Forderungen der Fans realisiere, ist eine andere Geschichte. Wenn ich eine klare Vorstellung und Vision meiner Arbeit habe, dann kann ich echt stur werden (Steinbock hier).

“Für all die Unwissenden, die seit dem Monkey-Island-Flashfilm nichts oder nur wenig von dir gehört haben: Wo hast du dich eigentlich in den letzten Jahren versteckt? Was hast du so getrieben?”

Nach den “I wonder what happens”-Flashfilmen bin ich nach San Francisco abgetaucht, zu einem Praktikum als Cinematic Artist bei Telltale Games. Für ein halbes Jahr baute ich Cutscenes für Sam & Max Season 3. Dat war geil! Danach ging’s zurück nach Deutschland zur Filmakademie Baden-Württemberg, Animation studieren. Im ersten Jahr habe ich unter anderem meinen ersten, auf Papier animierten, kleinen Trickfilm gebastelt. Aus Filmfestival-technischen Gründen darf ich den aber leider noch nicht online herumzeigen…

An der Akademie ist immer reichlich zu tun, und ich arbeite nebenher immer noch für Telltale Games. Deshalb passiert momentan mal gar nichts. Obwohl, vor kurzem wurde ja meine Bewerbung bei DoubleFine geleaked. Für dieses Projekt hatte ich eigentlich auch keine Zeit. Ooh, der Berg an Arbeit wächst und wächst…

Ze desk of ze Majus

“Ein Hoch auf Kaffee! Findest du inmitten der Arbeit denn noch ein Fünkchen Freizeit? Was tust du, wenn du gerade nicht animierst, supercoole Bewerbungen rausschickst oder Interviewfragen beantwortest?”

TV Shows! Ich liebe Serien und gebe manchmal meine kostbare Schlafenszeit dafür her. Jetzt Games of Thrones, davor Breaking Bad, Doctor Who, Sherlock, Arrested Development, Community, IT Crowd… so viel gutes Zeug. Ich kann davon wirklich nicht genug bekommen, und ziehe das Medium TV Serie manchmal sogar dem Film vor.

Mit Computerspielen verbringe ich auch viel Zeit, es gibt aber nicht viele die mich richtig fesseln (zu Skyrim finde ich keinen echten Zugang), aber in dem neuesten Batman-Spiel, oder Portal 2, verliere ich mich gnadenlos.
Und natürlich verbringe ich auch Zeit mit der Freundin. (Zum Glück ist sie auch ein Serienjunkie.)

“Achtung, spontanes Text-Adventure!”

MAJUS’ QUEST

Du sitzt auf einem unbequemen Stuhl in einem kleinen, stickigen Raum, der nur spärlich durch eine von der Decke baumelnden Glühbirne beleuchtet wird. Ein verkommener Holztisch trennt dich von deinem Gegenüber, einem finster dreinblickenden, laut atmenden Interviewpartner. Hinter ihm führt eine geschlossene Tür in Richtung Freiheit. Du kannst seine Gedankengänge nur erahnen, doch wirkt er irgendwie misstrauisch und beinahe gefährlich. Zu deiner Linken erblickst du einen lockeren Stein in der roten Wand. Inventar: Eine stumpfe Schere, eine Packung Mentos, zwei Ersatzknöpfe deiner modischen Lederjacke.

Was tust du als nächstes?

> Drücke lockeren Stein
Der Interviewer unterbricht dich und protestiert laut.
Du verstehest ihn akustisch nicht, er atmet sehr schwer.
Sicher ist, dass du den Stein nicht drücken darfst.

> Biete Interviewer feine Lederjacke an
Der Interviewer begutachtet interessiert die Jacke.

> Drücke lockeren Stein
Der Interviewer ist mit der Jacke beschäftigt und bemerkt nicht, wie du den Stein drückst.
Mit einem leisen Klick öffnet sich ein Geheimfach, direkt neben dem Schalter.
Darin sitzt der heilige Gral total angeberisch auf einem kuschligen Kissen.

> Nimm Kissen
“Fühlt sich bequem an.”

> Benutze Kissen mit Stuhl
“Aah. Viel besser. Der Stuhl ist jetzt bequem.”

> Bitte Interviewer freundlich um die nächste Frage
“Ich verstehe ihn kaum. Er atmet so schwer.”

> Gib Mentos an Interviewer
Interviewer: “Oh, vielen Dank. Mein Atemwege sind jetzt frei.”

> Bitte Interviewer freundlich um die nächste Frage
“Ok.”

“Hust hust! Lecker! Ich muss gleich los, diesen verfluchten Gral loswerden. Gibt es abschließend irgendetwas, das du unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtest?”

Hallo! … Was gibt man denn so mit auf den Weg? Ich kenn’ mich da noch nicht so aus. Meine Ratschläge sind auch etwas cheesy. Echt: Seid leidenschaftlich bei allem, was ihr tut, und wagt euch sehr viel. Seid unvernünftig. Bäm! Ja. Ansonsten, alles klar bei euch? Danke, dass ihr das Interview gelesen habt, freut mich sehr!

“Majus, vielen Dank für deine Zeit, das nette Interview und die hervorragenden Werke! Herz. Und wo klicke ich jetzt um zu sehen, ob deine Bewerbung bei DoubleFine erfolgreich war?”