Re: So wird 2017: Die Prognosen von 33 Games-Experten
Vor gut einer Woche, am 12. Januar, stieß ich via Twitter auf einen Artikel bei GamesWirtschaft, in dem 33 sogenannte Games-Experten anhand von vordefinierten Thesen Prognosen für 2017 anstellten. Mein spontanes Hauptaugenmerk galt jedoch nicht den Vorhersagen („Lässt sich der Erfolg von Pokémon Go wiederholen oder gar übertreffen?“), sondern der Tatsache, dass sich unter den 33 Experten nur eine Expertin, Linda Breitlauch, befand. Absurd. Ich reagierte mit Wurst Unverständnis.
Würstchenparty @gameswirtschaft 🙄https://t.co/yilSW3ogKx pic.twitter.com/t8R3hO5wSP
— Fabu (@herrfabu) 12. Januar 2017
Am Tag darauf kündigte GamesWirtschaft bei Facebook eine Übersicht wichtiger Frauen in der Branche an.
“Als Ausgleich für den klitzekleinen Männerüberhang in unserer 2017-Expertenrunde folgt Anfang nächster Woche eine Übersicht der wichtigsten/bekanntesten/namhaftesten Frauen in der deutschen Games-Branche. Na, ist das was? […] Wer darf auf keinen Fall fehlen?” — fb.com/gameswirtschaft/
Das Resultat wird eine fünfteilige Artikelserie sein — unterteilt in Management, Spieleentwicklung, Marketing/PR, Medien (Influencer, Journalistinnen, Moderatorinnen) und Politik/Verbände/Lehre. Die Top 50 Frauen in der Games-Branche 2017, basierend auf insgesamt 124 Namen, die größtenteils vonseiten der Leserschaft empfohlen wurden. Ich teilte die Ankündigung auf meiner privaten Facebookseite, woraufhin sich Petra Fröhlich, Gründerin und Chefredakteurin von GamesWirtschaft, im Kommentarbereich zu Wort meldete. Unseren Dialog findet ihr anbei. Unkommentiert. Aber ihr könnt das ändern.
Fabu Entsteht die Artikelserie aus Überzeugung oder aus Zugzwang?
Petra Fröhlich Überzeugung mit Blick auf …? Hab darüber schon mehrere Artikel geschrieben, z. B. letztes Jahr für die IGM. Aber dein unerhörter Tweet war schon der aktuelle Trigger.
Überzeugung mit Blick auf die Relevanz von Frauen in der Branche. Besagter Tweet entstand ja, weil ich es sehr befremdlich fand, unter “33 Games-Experten” nur eine Frau zu finden. Wenn du nun 50 Frauen “nachreichst” frage ich mich halt, warum davon keine unter den “Experten” zu finden war.
Petra Da wird niemand “nachgereicht”. a) Ist im Zweifel die Meinung eines Chefs/Gründers relevanter b) Sind jetzt mehrere Leute dabei, die sich – wie geschrieben – nicht äußern wollten/durften. Plus: Wenn man den Status Quo auf Senior-/C-Level abbilden hätte wollen, wären’s halt trotzdem maximal 2-3 von 33. Und nicht 10 oder 16.
Wäre die Serie auch ohne die Kritik am “Experten-Artikel” entstanden?
Petra Ja, irgendwann im Lauf des Jahres (steht schon ewig auf der Themenliste). Aber sicher nicht jetzt. Insofern: Well done.
Im Ankündigungsartikel steht, dass die meisten Namen auf der Liste eingereicht und empfohlen wurden. Warst du von der Resonanz überrascht?
Petra Sagen wir so: Es gab eine Phase, da wurden die leitenden Mitarbeiterinnen etwas prominenter und lauter nach vorne geschoben. Das führt dazu, dass vielfach Namen genannt wurden, die längst die Firma oder die Branche gewechselt haben. Oder im Mutterschutz sind. Dann dampft die Liste schnell zusammen. Viele, die ich angeschrieben habe, waren extrem überrascht, dass überhaupt jemand von ihren Kollegen an sie “gedacht” hat.
Interessant. Was denkst du, woran das liegt? Ist es (falsche) Bescheidenheit? Oder fehlt es an Wertschätzung?
Petra Klassischer Fall von Filterbubble. Wer viel und oft Interviews gibt, twittert, facebookt, in Gremien sitzt, auf Konferenzen spricht usw., ist einfach sichtbarer. Dabei gibt es sowohl bei Männlein als auch Weiblein Myriaden von Entscheidern, die nicht in die Kategorie “Rampensau” fallen und einfach in Ruhe ihr Ding machen (wollen). Unaufgeregt, geräuschlos, zuverlässig, teils seit Jahrzehnten. Die auch kein Problem damit haben, wenn der CEO/Gründer im Scheinwerferlicht steht. Kannst ja mal die Studios/Publisher gedanklich durchgehen – die zweite Reihe kennen maximal Insider.
Siehst du dich, bezogen auf deine Branche, in der ersten oder in der zweiten Reihe?
Petra Das mach ich einmal pro Jahr an der Anzahl der handschriftlichen Weihnachtskarten fest. ;-)
Aus Interviews und Podcasts mit dir geht für mich hervor, dass dich die Geschlechterfrage wenig interessiert oder sogar nervt. Wie stehst du zur Frauenquote?
Petra Iwo. Ich seh mich halt nur nicht auf einem Kreuzzug – und empfinde das Gamescom-Standpersonal auch nicht als Ausdruck von Frauenfeindlichkeit oder Chauvinismus. Das ist alles. Ansonsten freu ich mich über jede Frau, die es in ein verantwortungsvolles Amt (Kanzleramt, IWF, Fed, USK, whatsoever) schafft – ganz ohne Quote.
Es muss ja kein Kreuzzug sein. Aber erkennst du nicht, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der selektiven und kontinuierlichen Hervorhebung einzelner Männer und dem Nachwuchsproblem bzw. der mangelnden Sichtbarkeit von Frauen gibt?
Petra Naja, damit man was hervorheben kann, muss es halt auch was zum Hervorheben geben. Die Website heißt “GamesWirtschaft” und nicht “GamesKultur”. Bei der Umfrage ging’s also um die Markt-Einschätzung von CEOs/Gründern/Directors/Head ofs/…. Wer, wenn nicht die Gründer von Innogames, Daedalic, Deck13 & Co. könnten sagen, wie sie die Lage beurteilen? Unter den 26 BIU-Mitgliedern findet sich eine einzige Geschäftsführerin. Und sehr, sehr, sehr wenige auf “Director”-Level.
Sind in der kommenden Artikelserie denn Frauen aufgeführt, die im nachhinein betrachtet auch im Experten-Artikel Erwähnung hätten finden können oder sollen?
Petra Klar. Das hängt aber eben auch damit zusammen, dass einzelne und sehr namhafte Unternehmen bei der Experten-Anfrage gesagt haben: Wir äußern uns diesmal bzw. grundsätzlich nicht zu Mitbewerbern, Konsolenpreisen, Verkaufszahlen, politischen Themen (Förderung) usw. Und wenn, dann hätte die Abstimmung mit dem HQ erfolgen müssen – dauert Wochen plus Ausgang ungewiss. Solche Dinge spielen für die Top 50 natürlich keine Rolle.
Verstehe. Vielen Dank für die ausführlichen Antworten.