Rückblenden einer Saints Row Launch-Party
“Schweres Geschütz und leichte Damen” – Intro und THQ luden ein, die Deutschland-Veröffentlichung von Saints Row: The Third zu feiern. Weil sich sonst niemand getraut hat und ich meinen hart verdienten Respekt als Waffenpolierer und Waffelservierer beim Boss verteidigen muss will, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen und mich in die Mitten professioneller Gangster und Liebhaberinnen begeben. Hier ist sie nun, die Retrospektive eines waghalsigen Abenteuers, das ein Videospiel wahr werden ließ.
Donnerstag, 21:14 Uhr. Wir betreten den Laden. Ein Tanzclub. Nichts, was auf dem Kiez ungewöhnlich wäre. Hinter den Wänden pulsiert dumpfer Bass. Die Leute um uns herum stehen Schlange, lächeln nervös und reden über schlechte Cocktails. Wir reihen uns ein. Dann ein leiser Schrei. Irgendetwas stimmt nicht. Ich spüre die Hand an meinem Ellenbogen erst zu spät. Jemand zerrt mich durch eine schmale Tür und eine dunkle Treppe hinauf. Lila Beleuchtung, überall Gitterstäbe. Das S&M-Stockwerk.
Ich werde auf ein dunkles Ledersofa geworfen und muss einen Moment innehalten, bevor ich wieder zu atmen beginne. Eine Mischung aus Zigarettenrauch, Gleitgel und Nachos liegt in der Luft. Ich stehe auf und taumele in Richtung Bar. Auf der Suche nach Halt stoße ich mit einem groß gewachsenen Herrn zusammen, der sich wenig erfreut über unsere Begegnung zeigt. Zum ersten Mal wird mir klar, mit wem ich es hier zu tun habe. Die Männer tragen teure Pelzmäntel, Anzug und Lederschuhe, die Frauen gar nichts. Das kenne ich doch irgendwoher.
21:39 Uhr. Wild gestikulierend habe ich es endlich geschafft, dem Barkeeper verständlich zu machen, dass ich ein Bier will. Ich bezahle und setze zum Trinken an, als ich hinter mir einen lauten Knall höre. Durch den Flur fliegt eine Tür in den Raum, dicht gefolgt von dem Kerl, der mich hier reingeschleppt hat. Eine Gruppe lila gekleideter und bewaffneter Männer betritt den Raum. Sie sind hier. The Saints go marching in.
Ich habe zwar Kampferfahrung, bin aber unbewaffnet und lasse es lieber nicht darauf ankommen. Die Typen scheinen einen Grund zu haben, hier mit einem solchem Aufgebot aufzutreten. Ich verziehe mich in den hinteren Teil des Raums und betrete einen Flur. Der Bass wird stetig lauter. Ein Mädchen, das nichts als einen Bikini und ein Silbertablett mit Currywurstschalen trägt, wirft mir mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu, der ihr “Pass auf, was du tust” auf die Stirn schreibt. Vielleicht auch “Na, Hunger?”.
21:45 Uhr. Ich erreiche die Quelle des Lärms. Auf einem großen Podest legt jemand Musik auf, die Goldketten und kiloweise Kokain gerecht wird. Ich trete näher, um die Atmosphäre aufzusaugen und bereue meine Entscheidung zwei Sekunden später, weil mir jemand eine Waffe an den Kopf hält.
22:02 Uhr. In irgendeinem Hinterzimmer flüstert mir jemand mit spanischem Akzent zu, dass ich hier nichts zu suchen habe. Der Lauf seiner Waffe sticht in meinen Hals. Es wird einen Moment ruhig, dann hören wir Schüsse aus dem Nebenraum. Kurz darauf kommt ein weiterer Kerl rein. Er entspricht dem Kaliber meines Geiselnehmers, blutet im Gesicht und spricht ihn auf spanisch an. Ich verstehe nur “Mucho nacho dinero tequila” und mir wird klar, wer die beiden sind: Luchadores. Einer der beiden maskierten Wrestler wendet sich mir zu und flüstert grimmig: “Jetzt wird gespielt“.
22:26 Uhr. In einem noch spärlicher beleuchteten Séparée haben sie eine Konsole angeworfen. Im Laufwerk dreht sich Saints Row: The Third. Ich bin wenig verwundert. Sie haben mir einen Charakter vorbereitet. Auf dem Bildschirm erblicke ich mein virtuelles Ebenbild, eine dicke, weiße Frau mit roten Haaren. Ich verwerfe den letzten Funken Hoffnung auf Völkerverständigung, nehme den Controller in die Hand und spiele. “Yeah, wir sind Rockstars!”, ruft ein Luchador, als er sich selbst auf dem Fernseher erblickt, und streckt seine Schrotflinte in die Höhe.
Irgendwo zwischen Verwirrung, Neugier und Todesangst empfängt mein Gehirn ein Signal, mit dem ich heute nicht mehr gerechnet hätte. Als meine Spielfigur, an einem Helikopter hängend, heranfahrende Autos mit dem Raketenwerfer explodieren lässt und in 20 Meter Höhe befördert, bemerke ich es: Saints Row: The Third hat guten alten Zerstörungsspaß im Übermaß. Euphorisch beende ich die zehnminütige Mission, wechsle den Spielstand und starte die nächste.
23:01 Uhr. Ich befreie einen gigantischen Hunnen aus seinen Fesseln und nehme mit ihm ein Gebäude auseinander. Keine Gefangenen. Wir säubern alles. Mein muskulöser Begleiter ist nackt, sagt, er müsste sich rächen und hätte keine Zeit fürs Anlegen von Kleidung. Klingt überzeugend. Die mexikanischen Drogenschmuggler in den Wrestlingmasken um mich herum sind von meinen Spielkünsten überzeugt und sehen fürs erste davon ab, mich umzulegen.
Die Stimmung kippt jedoch, als ein dritter Luchador in Erscheinung tritt. “Sie sind zurück!”, schreit er. Ich bin gezwungen, das Spiel zu pausieren, um es kurz darauf in seiner realsten Form zu erleben. Vor mir schlagen sich Saints und Luchadores die Köpfe ein. Frauen mit kurzen Röcken und Fellmützen versorgen das Gefecht mit Waffen und heizen die Stimmung auf. Im Hintergrund wird weiter getrunken, gelacht und getanzt. Ich fühle mich mehr als deplaziert und angewidert, kann aber nicht wegsehen.
23:30 Uhr. Hinter minimal bedeckten, zur lauten Musik schwingenden Brüsten wird ein meterhoher Gegenstand vom Kronleuchter über der Bar beleuchtet. Ich glaube, ihn kurz aufblitzen zu sehen, und erinnere mich. An den Plan. Die Aufgabe, wegen der mich der Boss in die Fänge dieses verdorbenen Menschenhaufens geschickt hat.
Der Penetrator. Ich habe ihn tatsächlich gefunden. Der überdimensionale Gummipenis ist nicht mehr bloßes Produkt einer digitalen Fantasiewelt, er existiert wirklich. Das hier ist meine einzige Chance, “Operation Dildo” erfolgreich auszuführen. Ich drängle mich durchs Gefecht und greife zum Ständer, in dem der Ständer präsentiert wird. Das Heiligtum in der Hand zu halten ist Ausgleich genug für all die Verletzungen, die ich mir auf dem Weg zum Ausgang zuziehe. Ich renne so schnell ich nur kann.
Ich bin fast draußen. Mantel auf, Beute rein, so tun als wäre nichts. Ich gehe am Einlass vorbei und bin siegessicher. Sie werden Millionen dafür zahlen, an diesem Ding Hand anlegen zu dürfen. Kurz bevor ich den Fluchtwagen erreiche, erwischt mich etwas hartes am Hinterkopf. Ich kenne dieses Geräusch. Benutze Gewehrkolben mit Schädel. In der Sekunde, die es braucht, bevor ich auf den Boden aufpralle, wird mir klar, dass ich versagt habe. Sie haben mich erwischt. So kurz vorm Ziel.
23:42 Uhr. Ich liege auf dem kalten Boden vor dem Club und drehe meinen Kopf langsam nach oben. Vor mir steht die riesige Silhouette eines Saints. Ich erkenne Kiez-Reflexionen in seiner Sonnenbrille, die ultimative Coolness ausstrahlt. Bevor ich bewusstlos werde, höre ich ihn ein paar Worte sagen, die noch immer durch meinen Kopf jagen.
“Der Pimmel bleibt hier.”
Freitag, 19:45 Uhr. Keine Sorge. Einen Tag später geht es mir schon wesentlich besser als erwartet. Der Kerl muss eine Stelle erwischt haben, die dank diverser Einschüsse und Schlägereien ohnehin vollkommen betäubt war.
Ich bin bereit für den nächsten großen Auftrag. Mein Informant berichtet, dass die Schweine am Ende der Stadt ein ganzes Lager voller Schwanzknüppel hätten. Doch muss ich gestehen, dass ich dabei Hilfe gebrauchen könnte. Ist da draußen irgendjemand, der sich mit dem Diebstahl riesiger, pinker Dildos auskennt? Schreibt euren gewieftesten Plan in die Kommentare. Die besten drei haben was bei mir gut und bekommen zum Dank eines der Saints Row: The Third Poster, die ich den Schweinen in letzter Sekunde aus den Taschen ziehen konnte.