Alphalevel: Wrack
Während das eigene Leben immer schneller an einem vorbei zu rauschen scheint, haben Ego-Shooter in der letzten Dekade in ihrer Breite eher den gegenteiligen Weg gewählt. Eine Wiederentdeckung der Langsamkeit, damit möglichst viele Spieler einen leichteren Zugang zu einem Genre finden können, dessen frühere Hektik bei Titeln wie Quake oder Unreal bei manch einem einfach nur noch Schwindelgefühle auszulösen vermochte. Doch während man bei aktuellen Schießbuden mittlerweile behäbig und schwerfällig seine zentnerschwere LMG auspackt, stellt sich der nun in einer Early Access Version über Steam erhältliche Retro-Shooter Wrack der zunehmenden Entschleunigung seiner Zunft mit ganzer Kraft entgegen. Dabei bleibt er stets so verdammt oldschool, dass man den Eindruck gewinnen könnte, die Entwickler hielten sogar Doom noch für eine Entgleisung der Moderne.
Wie es sich für einen klassischen Shooter gehört, ist alles abseits des zentralen Pengpengs lediglich rudimentär vorhanden. Die Charaktere sind platt, die Gegner stumpf und die Hintergrundgeschichte so hanebüchen, dass sie für den Vordergrund auch nicht getaugt hätte. Die Zukunft, Aliens greifen an und man spielt natürlich den personifizierten Widerstand der Menschheit gegen die marodierenden außerirdischen Invasoren. Kurzes Achselzucken und weiter.
Der Fokus liegt hier also ganz klar auf dem Gameplay, das sich so authentisch nach Strafejump– und Monsterhordenballernostalgie anfühlen soll, wie es eben möglich ist. Das gelingt hervorragend, auch wenn mich die enorme Geschwindigkeit des Spieles anfangs fast ein wenig übermannt. Zu fremd fühlt sich dieses Spiel an, dass ich noch zur Jahrtausendwende sicher bis zum Morgengrauen gegen Freunde auf LAN-Partys durchgerödelt hätte. Dass ich heute nicht mehr auf LAN-Partys gehe, ist aber leider nicht der einzige Grund, warum mir Wracks Multiplayermodus wohl keine Freude bereiten wird.
Neben diverser, sicherlich nicht zuletzt dem derzeitigen Beta-Stadium geschuldeter Bugs, der trotz Cel Shading äußerst nüchternen grafischen Darstellung und der ziemlich behämmerten Musik- und Soundkulisse, hat Wrack nämlich vor allem einen ganz entscheidenden Nachteil, über den wohl viele Absolventen der alten Schule nicht hinwegsehen können werden: Es gibt keinen Mehrspielermodus. Wird es auch nicht geben. Nur Ranglisten für die Einzelspielermissionen sind geplant, so dass zumindest Speedrunner ihren Spaß haben dürfen. Alle anderen finden mit dem kostenlosen Warsow ein brauchbares Mehrspielersurrogat zu dem zumindest kurzfristig unterhaltenden Singleleben in Wrack.
Ansonsten gilt für dieses Spiel das, was auch für die meisten anderen Titel mit dem Hauptaugenmerk auf den Nostalgiecharme gilt: Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen. Das Wiederauflebenlassen alter Spielprinzipien funktioniert für eine kurze Zeitspanne gut und lässt einen in Erinnerungen schwelgen, aber es gibt eben auch Gründe, warum sie sich nicht in die heutige Zeit retten konnten. Leider lässt Wrack deshalb nicht die Konkurrenz, sondern allein sich selbst alt aussehen.